Aktuelle Umfrage der gesetzlichen Unfallversicherung zeigt Handlungsbedarf auf
Rund ein Drittel der abhängig Beschäftigten mit häufigem Kontakt zu betriebsfremden Personen wie Kunden oder Patientinnen hat in den vergangenen zwölf Monaten verbale Übergriffe bei der Arbeit erlebt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH im Auftrag des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Besonders betroffen sind demnach das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die öffentliche Verwaltung. Hier gab mehr als die Hälfte der Befragten an, von mindestens einem verbalen Übergriff betroffen gewesen zu sein. In den Branchen Verkehr, Handel und Erziehung berichtete mehr als ein Drittel der Befragten über entsprechende Vorkommnisse.
Psychische Gewalt dominiert
Nimmt Gewalt bei der Arbeit zu? Statistiken liefern ein gemischtes Bild. Zwischen 9.000 und 13.000 Arbeitsunfälle pro Jahr gehen auf Gewalteinwirkung zurück. Nach einem pandemiebedingten Rückgang stieg ihre Zahl zuletzt wieder an. Die Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung zeigt jedoch nur einen Ausschnitt des Geschehens. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall erst, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führt. Psychische Gewalt wie Beleidigungen oder Bedrohungen werden von der Statistik nicht erfasst. „Unsere Umfrage macht diese Formen von Gewalt sichtbar“, sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Um ein aktuelles Bild zu gewinnen, befragte forsa 2.512 zufällig ausgewählte abhängig Beschäftigte, die bei der Arbeit häufig Kontakt mit betriebsfremden Menschen haben, nach ihren Gewalterfahrungen. Die häufigste Form psychischer Gewalt sind Beleidigungen und Beschimpfungen (32 Prozent). 12 Prozent erleben Spott, Schikanen oder Verleumdung. 7 Prozent geben an, bedroht oder erpresst worden zu sein, 6 Prozent haben sexualisierte psychische Gewalt erlebt. Generell berichten Frauen (41 Prozent) etwas häufiger als Männer (32 Prozent) von psychischen oder verbalen Übergriffen. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen betreffen vor allem Beschimpfungen und Beleidigungen sowie Formen von sexualisierter psychischer Gewalt.
Körperliche Übergriffe selten
Körperliche Übergriffe kommen deutlich seltener vor. 8 Prozent der Befragten geben an, in den vergangenen zwölf Monaten von physischer Gewalt durch betriebsfremde Personen betroffen gewesen zu sein. Am häufigsten sind Schubsen, Anspucken sowie Tritte und Schläge. Befragte, die im Gesundheits- und Sozialwesen tätig sind, gaben deutlich häufiger (22 Prozent) als der Durchschnitt an, körperliche Gewalt erlebt zu haben.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: In einigen Branchen beobachtet ein relevanter Anteil der Beschäftigten eine Zunahme von Gewalt. Dies betrifft neben dem Gesundheitswesen und der öffentlichen Verwaltung auch die Branchen Verkehr und Erziehung. Der Handel liegt mit 18 Prozent im Durchschnitt aller Wirtschaftszweige.
„Diese Zahlen zeigen: Gewalt ist ein Problem – Betriebe und Einrichtungen sind diesem Problem nicht ausgeliefert“, sagt Hussy. „Sie können etwas dagegen tun.“ Wichtig sei, dass Unternehmen und Einrichtungen deutlich machen, dass sie Gewalt nicht tolerieren. Eine systematische Erfassung von Gewaltvorfällen helfe dabei, Problemstellen zu identifizieren.
„Die Umfrage zeigt, dass wir hier noch mehr Bewusstsein schaffen müssen: Nur etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen hat ein Gewaltereignis auch ihrer Führungskraft gemeldet. 12 Prozent haben den Vorfall bei den Behörden angezeigt.“ Führungskräfte sollten daher regelmäßig fragen, ob es Vorfälle gegeben habe.
Wo es häufig zu Gewalt kommt, sollten zudem Vorkehrungen für solche Ereignisse getroffen werden. In der Umfrage berichten in keiner Branche mehr als 35 Prozent der Befragten, dass Gewaltvorfälle systematisch erfasst werden. Auch Deeskalationstrainings, Notfallpläne und eine betriebliche psychologische Erstbetreuung für Mitarbeitende nach Gewaltvorfällen werden nur von einem Teil der Befragten als vorhanden genannt. „Hier können Berufsgenossenschaften und Unfallkassen betroffene Betriebe und Einrichtungen mit ihren Angeboten zur Prävention und Nachsorge unterstützen”, betont Hussy.
Weitere Informationen hierzu gibt es im Netz unter www.gewalt-angehen.de.